Eine Saison am Ende der Welt

Mit meinem Ende Mai 2018 aktivierten Working Holiday Visum für Chile und nach meinem Peru-Aufenthalt flog ich Anfang September nach Patagonien für meinen neuen Job als Tourguide im luxuriösen Hotel Tierra Patagonia, am Rande des berühmten Nationalparks „Torres del Paine“. Das Hotel sorgte auch für das dem Saisonstart vorausgehende Training. Mein Kollege Daniel holte mich in Puerto Natales vom Bus ab und wir kamen für ein paar Tage bei weiteren Kollegen unter, die ein Haus in dem kleinen Ort mieteten. Zunächst hatten wir den achttägigen Erste-Hilfe-Kurs „Wilderness First Responder“, während dem ich auch drei weitere Kollegen kennenlernte, unter anderem meine zukünftige Zimmergenossin Stephy, die zwar Chilenin ist, aber Deutsch studiert hat und damit die zweite Deutschsprachige unter den Guides ist.

Danach ging´s in unser neues Zuhause, auf die Estancia „Entre Lagos“, eine vom Hotel 6km entfernte Ranch, auf der die Angestelltenunterkünfte installiert worden waren. In vier containerartigen Gebäuden mit je einem kleinen Wohnzimmer, Bädern, zwölf kleinen Zimmern und zwei Personen pro Zimmer war es recht kuschelig, die Gemeinschaftsräume mit Kantine, Billardtisch, Tischtennistisch und Fernsehecke gaben allerdings mehr Entfaltungsmöglichkeiten. Besonders für die Guides interessant ist die Kletter- bzw. Boulderwand, die  draußen aufgestellt ist. Zu Beginn der Saison schaffte ich es jedoch noch deutlich häufiger zum Klettern, später hatte ich weniger Zeit und motivierte mich weniger.

Als schließlich der Rest der Bande (und dieses Wort ist für die meisten meiner Kollegen sehr zutreffend) angekommen war, fing die „Schule“ an, die über 11 Tage ging und Spezialisten aus verschiedenen Bereichen wie Geologie, Ornitologie, Flora, Geschichte etc. zu Gast hat. Ein Teil des Unterrichts findet drinnen als Theorie statt, der andere draußen auf Excursionen. Während dieser Zeit lernte ich extrem viel neues, was sehr interessant, aber auch anstrengend war, zumal der ganze Unterricht natürlich auf Spanisch stattfand. Auch lernte ich meine neuen Kollegen näher kennen und das Team aus alten und neuen Guides bildete sich schon etwas für die beginnende Saison.

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Die Crew

Am 1.10.18 öffnete dann das Hotel und die Arbeit begann. Die ersten Wochen folgte ich anderen, erfahreneren Guides auf die Ausflüge, um die verschiedenen Exkursionen, Wanderwege und Führungs- und Erklärungsstile unterschiedlicher Guides kennenzulernen. Neben Wanderungen gibt es auch Sightseeing-Touren im Van, die Bootsfahrt zum Grey-Gletscher, Ausritte von verschiedenen Estancias und Mountainbike-Touren (letztere hab ich allerdings nicht geführt). Ein Großteil der Gäste des Hotels sind Nordamerikaner, also musste ich mir die ganzen Informationen über den Nationalpark auch auf Englisch aneignen. Als ich dann auch vermehrt mit deutschsprachigen Gästen unterwegs war, natürlich auch auf Deutsch, fiel mir das zunächs unerwartet schwer. Mit der Zeit wurde das Hin- und Herwechseln zwischen den Sprachen allerdings immer einfacher.

Nachdem ich ja vorher schon als Guide gearbeitet hatte, hatte ich keine Scheu die Touren recht schnell schon alleine zu führen, obwohl es natürlich neu für mich war, den Teilnehmern dabei so viel Information zu liefern. Sorgen machte ich mir eher um die Logistik, nämlich wann ich was genau in der Küche bestellen muss und auf welche Exkursion ich was mitnehmen muss (z.B. bestellt sich für eine Ganztageswanderung jeder ein Sandwich, aber als Guide bringe ich auch noch Suppe, Ketchup und andere Saucen für die Brotzeit, hausgemachte Müsliriegel, Studentenfutter, Schokoriegel, Obst und für danach ein Gebäck- oder Brotzeitbrett, Tee, Kaffee, Tassen, Tischdecke für den Tisch, den der Fahrer aufstellt etc. etc. etc.). Nach kurzer Zeit stellte ich allerdings fest, dass das Ganze gar nicht so schlimm ist, da man gewisse Sachen einfach immer in seiner Kühlbox lässt, gelegentlich Teebeutel, Zucker, Servietten etc. auffüllt und das restliche Essen schon routinemäßig in der Küche bestellt.

Meine andere Sorge war die Prüfung bei CONAF, der Nationalpark-Verwaltung, die mich als Guide zertifiert. Die schriftliche online Prüfung ist bekannt dafür, dass die Fragen schlecht gestellt sind und es oft technische Probleme gibt. Noch dazu sind die Fragen oft übertrieben ins Detail gestellt und verlangen die wissenschaftlichen Namen von Pflanzen und Tieren. Nachdem ich zweimal sogar mit Hilfe meiner Kollegen durchgefallen war und eine Wiederholung beantragt worden war, (die eigentlich nicht möglich ist, aber da die Verantwortlichen über die Problematik Bescheid wissen und wir Fehler in der Prüfung nachweisen konnten, wurden einigen Guides mehrere Wiederholungsmöglichkeiten eingeräumt) bestand ich also den Test. Die auch nur mit Ausnahme schon vor der schriftlichen abgelegte, mündliche Prüfung, vor der ich eigentlich nervöser war, da mir hier kein Kollege oder Google mal schnell die Antwort geben kann, lief erstaunlich gut. Und so hatte ich jetzt auch offiziell den für zwei Jahre gültigen Guide-Ausweis, mit dem ich auch kostenlos in den Nationalpark Eintritt habe (vor Ausstellung hatte das Hotel meinen Eintritt für die Touren bezahlt).

Die meisten Gäste auf den Touren waren nett und einfach zu handhaben, es gab aber natürlich immer mal wieder schwarze Schafe. Bei einem Hotelaufenthalt für mindestens $US 1000,- pro Nacht ist das Klientel natürlich ökonomisch nicht schlecht aufgestellt und gelegentlich ziemlich anspruchsvoll oder charakterlich etwas speziell. Auch ist nicht jeder ein Outdoor-Mensch oder an physische Aktivität gewohnt, viele überschätzen sich aber in dieser Hinsicht und finden sich dann auf Exkursionen wieder, die sie schnell außer Atem bringen oder angsteinflößende Erfahrungen mit sich bringen (z.B. steile Abstiege). Normalerweise sind unsere Chefs Kineret und Basilio recht gut darin die Gäste bei Ankunft zu beraten und jeden nach Interessen und Fähigkeiten für angemessene Ausflüge einzuteilen. Meistens, aber nicht immer und einige Leute sind etwas stur oder eben selbstüberschätzt, wenn es darum geht Aktivitäten auszuwählen. Und so brauchte ich mit einer etwas schwierigen Klientin schon einmal knapp elf Stunden für die bekannte Wanderung zu „Base Torres“, zum Fuß der Türme des Torres del Paine, die normalerweise in sieben bis acht Stunden zu bewältigen ist.

Über die Hauptsaison von November bis März waren wir alle ausgelastet, hatten lange Arbeitstage und ich „verkaufte“ auch viele meiner freien Tage. Es wird hier in einem Schichtsystem von elf Arbeitstagen und vier freien Tagen gearbeitet, doch wer extra Tage arbeitet, wird dafür auch gut entlohnt und sofern ich keine Ausflüge geplant hatte, waren mir vier ganze Tage in Puerto Natales auch zu viel, da es im Ort selbst nicht viel zu tun gibt. Mit ca. 2000km Wanderdistanz pro Saison und teils extremen Wetterbedingungen (insbesondere starker Wind, locker bis zu 100km/h) war es teils schon harte Arbeit, auch wenn es im Großen und Ganzen Spaß gemacht hat. Und so flog die Saison nur so dahin bis wir gegen Ende dann auch viele freie halbe oder ganze Tage hatte, da das Hotel nur noch sehr spärlich besetzt war. Was mir vermutlich am besten an dem Job gefallen hat, ist die Abwechslung zwischen vielen verschiedenen Halb- und Ganztagestouren, die jeden Tag wechselten, wohingegen es sich bei meinen vorherigen Tourguide-Jobs oft mehrmals pro Tag um dieselbe Tour gehandelt hatte.

Und wer hätte gedacht, dass ich hier auch die Liebe wiederfinde?! Nachdem ich mich anfangs für niemanden meiner Kollegen oder auch Mitarbeitern aus anderen Hotelbereichen begeistern konnte (obwohl es natürlich an einem abgelegenen Ort mit einer Überzahl an Männern für mich als interessante Deutsche nicht an Angeboten mangelte), tauchte dann Mitte Oktober auf einmal ein gutaussehender Kellner auf, der zufälliger Weise auch noch dieselben freien Tage hatte wie ich. Es stellte sich heraus, dass ich mit dem Physiotherapeuten aus Santiago so einiges gemeinsam habe und es bald kräftig funkte. An unseren freien Tagen unternahmen wir fiel gemeinsam und machten auch zwei Mehrtageswanderungen im Nationalpark. Über die nächsten Monate konnte ich keine Mängel an meiner neuen Errungenschaft feststellen und die Beziehung vertiefte sich bis zu dem Punkt, an dem wir uns entschlossen nach Beendigung der Saison zusammen weiterzureisen. Nach sechseinhalb Jahren Single-Leben bin ich also letztendlich wieder in einer festen Partnerschaft gelandet und es bleibt spannend wie unsere gemeinsame Reise weitergeht!

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Weitere Fotos von Exkursionen:

 

 

Ausflüge an freien Tagen:

 

 

 

 

 

 

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